Im Moment des größten Erfolges seiner steilen Trainerkarriere hat Fabian Hürzeler ein großes Problem, an dem er möglicherweise scheitern wird. Es kommt jedenfalls so gut wie nie vor, dass der Coach keine Lösungen parat hat oder gar ratlos ist. Der Aufstieg mit seinen Kiezkickern stellt ihn aber vor eine kaum zu bewältigende Aufgabe. Glückwünsche. Auf dem Smartphone. „Ich habe meine ganzen Nachrichten noch gar nicht gecheckt. Es sind sehr, sehr viele“, berichtet Hürzeler am Tag nach dem entscheidenden 3:1-Sieg gegen Osnabrück, mit dem der FC St. Pauli das Ticket für die Bundesliga gelöst hat. „Ich weiß gar nicht, wie ich die alle beantworten soll.“ Es werden ja auch immer noch mehr. Und das nächste Gänsehauterlebnis wartet schon auf ihn.
Typisch Hürzeler war wiederum sein erster Gedanke nach dem Aufwachen am Montagmorgen, Tag eins nach dem Aufstieg und der anschließenden rauschenden Party. „Wie spielen wir gegen Wiesbaden?“, antwortete der 31-Jährige auf die Frage danach. „Ja, das war tatsächlich mein erster Gedanke.“
Hürzeler stellt klar: St. Pauli will auch Meister werden
Nicht der Aufstieg. Nicht die Party. Nicht die Bundesliga. Sondern das letzte Saisonspiel gegen die abstiegsbedrohte SV Wehen Wiesbaden kam ihm in den Sinn. Das sagt einiges über den fußballverrückten Hürzeler, aber auch über die Ziele der Kiezkicker, die mit dem Aufstieg noch nicht vollständig erreicht sind.
„Wir wollen Meister werden“, stellt der Coach klar. „Es ist noch mal was anderes, wenn in deinem Lebenslauf Aufstieg drinsteht, oder Zweitliga-Meister.“ Seine Mannschaft sei motiviert, das zu gewinnen, was „sie letztendlich verdient“ für die überragende Saison und das sei die Meisterschaft.
Dennoch warf Hürzeler auch einen Blick zurück auf den bislang größten Tag. „Die Stimmung im Stadion war einmalig, das war unvergleichlich“, schwärmt er. „Ich bin sehr dankbar, dass ich das erleben durfte.“
Verrückte Szenen am Millerntor
Noch einmal ließ er mit glänzenden Augen die verrückten letzten Minuten des Spiels Revue passieren, als schon zahlreiche Fans von den Tribünen in den Innenraum geklettert waren und sich am Spielfeldrand drängelten, auch rund um die Trainerbank. „Ab der 85. Minute war es etwas Besonderes. Da habe ich mich mal hingehockt, dann hat mich Peter (Co-Trainer Peter Nemeth, die Red.) kurz gekniffen. Das sind schon besondere Momente.“
Und verrückte Momente. In der 87. Minute etwa kam der Platzwart mit einer der Eckfahnen bei der Trainerbank vorbei. „Dann kam da auf einmal unser Busfahrer filmend mit der Kamera auf mich zu. Ich sage zu ihm: ‘Raimund, das Spiel läuft noch!‘ Dann habe ich nach links geguckt, wo die Ordner mit ihren gelben Westen standen, um für Sicherheit zu sorgen, und ich habe einen Ordner tanzen sehen.“
Mit dem Aufstieg hat sich Hürzeler „einen Traum erfüllt“
Von einem „unbeschreiblichen Gefühl“ nach dem Schlusspfiff sprach Hürzeler. „Da sind Fans auf mich zugekommen. Du wusstest gar nicht mehr, wohin. Auf einmal war ich auf Schultern, habe dann einfach mit ihnen gefeiert und das gesungen, was sie gesungen haben und den Moment genossen.“ Bei den abendlichen Feierlichkeiten des Vereins im Ballsaal der Südtribüne zündeten Hürzeler, Nemeth und Torwarttrainer Marco Knoop draußen auf den Rängen Bengalos, schwangen die roten Leuchtfeuer und sangen mit den Fans. Bilder für die Ewigkeit.
Mit dem Aufstieg habe er sich selbst „einen Traum erfüllt“, sagt der ehrgeizige Hürzeler, der nach dem Höchsten strebt und dafür den bestmöglichen Job machen will. Ein Perfektionist.
Die Bundesliga ist das nächste Level. Für den Verein FC St. Pauli, für die Mannschaft und auch für den Trainer. Hürzeler kann es kaum erwarten. „Ich freue mich darauf, mich mit den Besten zu messen. Mit den besten Trainern, mit den besten Spielern mit den besten Mannschaften. Da ist viel Vorfreude.“
Vorfreude auf Bundesliga: Hürzeler schwärmt von Alonso
Nicht nur eine „neue Herausforderung“ erwartet das Trainerteam, sondern auch eine neue Rolle, weil „wir definitiv nicht Favoriten sein werden in den Spielen, sondern eher Underdogs“. Das werde eine „neue Herangehensweise und auch andere Dinge von uns abverlangen“.
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Der Trainer des Jahres in Liga zwei ist Hürzeler, dem bei seinem ersten Job als Chefcoach ein Coup gelungen ist. Trainer des Jahres in Liga eins ist zweifellos Xabi Alonso von Meister Bayer Leverkusen – und durchaus auch ein Vorbild von Hürzeler. „Ich bin ein großer Fan von Alonso, von seiner Spielweise, aber auch von seiner Art, wie er sich gibt und wie er seine Mannschaft führt. Das ist definitiv sehr eindrucksvoll.“ In der nächsten Saison ist Alonso ein Gegner, mit dem sich der Newcomer messen kann.
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Ob St. Paulis Spielstil, der Hürzeler-Fußball auch – hier und da modifiziert – in der Bundesliga gut funktionieren kann?
St. Paulis Mannschaft ein „gutes Fundament“
„Der kann funktionieren“, sagt der Coach. „Aber ob er gut funktionieren kann, liegt natürlich auch an meiner Arbeit beziehungsweise an der Arbeit meines Trainerteams, und wie die Spieler das dann auch umsetzen können.“
Die bestehende Mannschaft bilde ein „gutes Fundament“ für die schwierige Mission Klassenerhalt. Klar ist auch, dass das Team noch gezielt verstärkt werden muss. Er sei „sehr zuversichtlich“, schon zum Start in die Saisonvorbereitung eine „wettbewerbsfähige Mannschaft auf den Platz bringen zu können“. Eine Meistermannschaft soll es sein.
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Am Sonntag soll die Schale her, am Pfingstmontag geht es erneut rund: Bei der großen Saisonabschlussfeier des Kiezklubs: einer Demo auf dem Rathausmarkt und einer Riesensause vor Zehntausenden Fans auf dem Spielbudenplatz mit erneuter Aufstiegs-Party und hochkarätigen Konzerten. Hürzeler ahnt, dass ihn wieder unbeschreibliche Momente erwarten. „Wenn ich nur daran denke, wie es sein wird, dann bekomme ich jetzt schon Gänsehaut.“
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