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Inter Mailand feiert den 20. Scudetto der Klubgeschichte - Neue Zürcher Zeitung - NZZ

Den Erfolg verdanken die Nerazzurri kluger Rotation und dem starken Torhüter Yann Sommer. Und doch trüben Zukunftsängste die Freude über den italienischen Meistertitel.

Hat seine Kritiker eines Besseren belehrt: der Inter-Coach Simone Inzaghi (rechts).

Hat seine Kritiker eines Besseren belehrt: der Inter-Coach Simone Inzaghi (rechts).

Alessandro Garofalo / Reuters

Golden erstrahlte das Stadio San Siro am Montagabend im Licht der Nacht. Alle Lampen in der und um die grosse Betonschüssel waren an. Zusätzlich erhellte ein Feuerwerk die Fassaden des Fussballstadions, das 1990 in der jetzigen Form errichtet wurde. Die Inter-Fans sangen, bis ihre Stimmen brachen.

Der 20. Meistertitel der Vereinsgeschichte bedeutet den Nerazzurri viel. Denn jeder Titel mit einer runden Zahl gibt einen Stern im italienischen Fussball. Juventus hat schon deren drei. Inter zieht mit dem zweiten Stern am Stadtrivalen AC Milan vorbei. «Es ist grossartig, den Titel jetzt im Derby geholt zu haben. Wir haben hart dafür gearbeitet, aber dieser Abend wird immer in unserer Erinnerung bleiben», sagte der Inter-Trainer Simone Inzaghi. Der Captain Lautaro Martínez musste vor lauter Freudentränen sogar ein TV-Interview abbrechen. 2:1 gewann Inter das Derby und machte fünf Spieltage vor Schluss den Titel perfekt.

Sommer erhielt bisher nur 18 Gegentore

Inters Scudetto ist der Triumph eines Dominanzteams. In vielen Statistiken liegen die Nerazzurri vorn: Der argentinische Weltmeister Martínez führt mit 23 Treffern souverän die Torjägerliste an. Sein französischer Sturmpartner Thuram ist mit 11 Assists der beste Vorlagengeber. Der Schweizer Nationalgoalie Yann Sommer erhielt in 17 Spielen kein Gegentor; nur 18 Gegentore liess er in der Liga zu. Das sind sogar Bestwerte im Kontext der fünf wichtigsten Ligen Europas. «Manchmal erschrecke ich selbst vor diesen Statistiken», sagte Sommer.

Steuerte 23 Treffer zum vorzeitigen Gewinn des Scudetto bei: der Inter-Stürmer Lautaro Martínez.

Steuerte 23 Treffer zum vorzeitigen Gewinn des Scudetto bei: der Inter-Stürmer Lautaro Martínez.

Imago

In der letzten Saison kam Sommer noch als Notnagel nach Mailand. Er ersetzte den für rund 55 Millionen Euro in die Premier League transferierten Kameruner Andre Onana. Nach anfänglichen Patzern zerstreute er die Zweifel schnell. Und auch die Diskussionen über seine für Goalies eher unterdurchschnittliche Körpergrösse von 1,83 Metern ebbten bald ab. «Es gibt keine grossen und keine kleinen Goalies, es gibt nur gute und schlechte» lautet seine Devise.

Dem Urteil schlossen sich im Laufe der Saison auch die eher kritischen italienischen Sportmedien schliesslich an. Nach dem Gewinn des Meistertitels lobte die «Gazzetta dello Sport» vor allem Sommers Zuverlässigkeit und Konstanz. Und auch seine Fähigkeiten mit dem Fuss am Ball wurden allseits hervorgehoben.

Genau einen solchen Goalie wollte der Trainer Inzaghi haben. Er ist ein fast schon ideologischer Verfechter des Aufbauspiels von hinten heraus. Seine Spielmacher Nicolò Barella und Hakan Calhanoglu zieht er gern hinter die Linie der Verteidiger zurück. Die hinterste Anspielstation ist dann Sommer. Das ist riskant. Der Schweizer hat im Lauf der Saison aber eine derartige Gelassenheit bei Rückpässen entwickelt, dass selbst die nervösesten Fans in solchen Situationen die Augen offen lassen können und der Pulsschlag im Normalbereich bleibt.

Der Vorteil einer solchen Spielidee? Inters Spielgestalter haben fast das ganze Spielfeld vor sich. Mit einem zurückgezogenen Spielmacher zu operieren, war bereits der wichtigste Kunstgriff von Luciano Spalletti, dem Meistercoach der Vorsaison. Nun hat Inzaghi die Methode des damaligen Napoli-Trainers auf Inter übertragen. Er hat sie allerdings dahingehend verfeinert, dass die freien Räume vor den Spielmachern von den Innenverteidigern besetzt werden.

Campioni: Nach dem Sieg im Derby della Madonnina ist Internazionale der 20. Meistertitel der Vereinsgeschichte nicht mehr zu nehmen.

Campioni: Nach dem Sieg im Derby della Madonnina ist Internazionale der 20. Meistertitel der Vereinsgeschichte nicht mehr zu nehmen.

Daniele Mascolo / Reuters

Inzaghi setzt auf Rotation – das macht sich bezahlt

Ein weiteres Merkmal von Inter ist das konsequente Spiel über die Aussenpositionen, oft verbunden mit mehrfachen Seitenwechseln bei einem Angriffszug. Das eröffnet den Aussenspielern viele Räume. Und vorn ergänzt sich das Sturmduo Martínez und Thuram perfekt. Während der schnelle Franzose gern in den Raum hinter den Verteidigern vorprescht und dann auf Martínez ablegt, behauptet der bullige Argentinier als vorderste Anspielstation geschickt den Ball und löst dann die zweite Angriffswelle aus.

Inzaghi selbst machte ebenfalls einen Reifeprozess durch. Von einem Coach, der anfangs für zu grün und meritenlos für einen Topklub wie Inter befunden wurde, verwandelte er sich in einen Souverän. «Er findet die richtige Ansprache für die Equipe, ist eine gute Mischung aus früherem Profi und älterem Freund», sagte der Manager Giuseppe Marotta.

Vor allem aber sah Inzaghi von seiner Präferenz ab, eine Saison mit einer Stammformation durchzuspielen. In seinem dritten Jahr bei Inter dosierte er die Belastungen geschickt und setzte auch Stammspieler ab und zu auf die Bank. Vor allem in den Partien unter der Woche pausierten sie.

Die «Gazzetta dello Sport» kürte Inzaghi daher zum «Meister der Rotation». Das Ergebnis war, dass Inter in dieser Saison nur vier Punkte in den Serie-A-Matches abgab, die unmittelbar auf Auftritte in der Champions League folgten. Im letzten Jahr waren es bis zum Einzug in die Achtelfinals deren zwölf. Die kluge Rotation war heuer ein entscheidender Faktor im Championat.

Die Zukunft des Klubs ist ungewiss

Verbesserungspotenzial hat das Team dennoch. Der Goalgetter Martínez muss in den bedeutenden Partien noch treffsicherer werden. So verschoss er etwa den entscheidenden Penalty beim Achtelfinal-Aus in der Champions League gegen Atlético Madrid. Und auch im Derby am Montag liess er beim Stand von 1:0 eine hundertprozentige Chance liegen.

Unklar ist, wie es mit den chinesischen Besitzern weitergeht. In der Heimat wird das Geld der Zhangs allmählich knapp. Ende Mai muss ein Kredit in Höhe von 275 Millionen Euro – mit Zinsen etwa 380 Millionen Euro – bedient werden. Andernfalls fällt der Klub dem Investmentfonds Oaktree zu. Der Präsident Steven Zhang war zum Derby nicht in Mailand – was als weiteres Indiz für einen möglichen Abschied gewertet wird.

Das wäre in diesem Moment fatal. Denn in den vergangenen Jahren wurde bei Inter ein Fundament gelegt, das eine neue Ära begründen könnte. Die Ungewissheiten auf der Eignerseite liessen jüngst aber sowohl den Trainer als auch den Captain mit der Unterschrift unter eine Vertragsverlängerung zögern. Die Feier zum 20. Titel wird daher auch von Zukunftsängsten getrübt.

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