Seit Alexander Zverev in Paris angekommen ist, wird über ihn getuschelt. Zuerst über seine Rolle als Mitfavorit beim zweiten Grand-Slam-Turnier des Jahres, nachdem er unmittelbar zuvor auf den Sandplätzen von Rom den Titel gewonnen hatte. Dann über seine Auslosung, die ihm in der ersten Runde von Roland Garros den Rekordchampion Rafael Nadal beschert hatte. Und zum Ende der ersten Turnierwoche war der deutsche Tennisprofi aufgrund des Prozesses wegen des Vorwurfs der Körperverletzung einer Frau in aller Munde.
An diesem Samstag, dem Tag nach dem Prozessbeginn in Berlin, wahrte Zverev in Paris nach einem mehr als vierstündigen Ritt auf des Messers Schneide die Chance, auch sportlich im Gespräch zu bleiben. „Hier bekomme ich so viel Unterstützung wie bei keinem anderen Grand-Slam-Turnier“, bedankte sich Zverev nach seinem Achtelfinaleinzug beim Pariser Publikum.
Zum siebten Mal nacheinander im Achtelfinale bei Roland Garros
Nach äußerst schwachem Start steigerte sich der 27-Jährige im Drittrundenmatch gegen den gleichaltrigen Niederländer Tallon Griekspoor und zog nach dem 3:6, 6:4, 6:2, 4:6, 7:6 (10:3) zum siebten Mal nacheinander ins Achtelfinale von Roland Garros ein. Dort bekommt es Zverev mit dem Dänen Holger Rune zu tun. „Es war ein unglaubliches Match“, sagte Zverev, der das Ganze mit seinem elften Ass beendete.
Dagegen brachte Jan-Lennard Struff eine mehr als vierstündige Regenunterbrechung auf Platz 14 aus dem Tritt. Nachdem sein Match gegen den Weltranglistenelften Alex de Minaur (Australien) am späten Nachmittag wieder gestartet worden war, gewann der 34-jährige Warsteiner nur noch vier Aufschlagspiele und unterlag 6:4, 4:6, 3:6, 3:6. Damit ist Zverev wie so oft der letzte aufrechte Deutsche in der zweiten Turnierwoche des Grand-Slam-Turniers.
Zu Alexander Zverevs üblicher Selbsteinschätzung gehört die Formulierung, dass er an guten Tagen jeden Spieler der Welt schlagen und an einem schlechten Tag gegen jeden verlieren kann. Am Samstag unterm Dach des Court Philippe-Chatrier spielte der Deutsche gegen die Nummer 25 der Weltrangliste zunächst so, als wollte er unbedingt den zweiten Teil seiner Meinung bestätigen. Statt zu versuchen, dominant aufzutreten und dem Gegner den Schneid abzukaufen, wie es ihm in den Runden zuvor gegen den Pariser Rekordtitelträger Nadal von Beginn an sowie gegen den Belgier David Goffin größtenteils gelungen war, agierte er anfangs verunsichert, verzagt und fehlerhaft.
Seine Körpersprache drückte zunächst einiges aus, aber kein großes Selbstvertrauen. Wo war sie hin, die Kampfansage nach dem Sieg gegen Goffin, als Zverev kundtat: „Es ist kein Geheimnis, dass ich eines von diesen Dingern gewinnen will“? Gemeint waren die vier Grand-Slam-Turniere.
Zverev beweist Widerstandskraft
Im ersten Satz schlug Zverev zunächst einen Ball nach dem anderen ins Netz oder Aus. Und weil der Olympiasieger weiter hinter der Grundlinie stand, als ihm guttat, konnte ihn Griekspoor auf vielfache Weise in Bewegung bringen. Der Blick hinauf in seine Box zu Vater Alexander senior und Bruder Mischa brachte dem 27-Jährigen auch keine frische Zufuhr an Mumm. Schnell lag er im ersten Satz 0:3 zurück, und weil er den Verlust seines frühen Aufschlagspiels nicht mehr wettmachen konnte, war der Durchgang nach 40 Minuten mit 3:6 gelaufen. Es war Zverevs erster Satzverlust in Paris 2024.
Im zweiten Durchgang erwachte Zverevs Kampfgeist zu neuem Leben. Allmählich präsentierte sich der Deutsche solider. Als er dann Punktgewinne mit einem Brüllen beendete, konnte Griekspoor ahnen, dass er es nun mit einem anderen Kaliber zu tun bekam. Zverev bewies Widerstandskraft, nahm dem Niederländer den Aufschlag zum 6:4-Satzgewinn ab. Während sein Spiel an Stabilität gewann, tat sich Griekspoor körperlich immer schwerer. Nachdem Zverev den dritten Satz 6:2 gewonnen hatte, nahm sich der Niederländer eine Auszeit und ließ sich an den Oberschenkeln behandeln.
Die Verschnaufpause half Griekspoor offenkundig, und das in zweifacher Hinsicht: Der Niederländer bewegte sich ähnlich flink wie zu Matchbeginn und spielte auch so aggressiv, wohingegen Zverev sich schwertat, seinen jäh unterbrochenen Rhythmus wiederzufinden. Vom variabler spielenden Niederländer hin und her gejagt, tat der Deutsche lieber drei Schritte zurück als einen nach vorne. Der Weltranglistenvierte verlor im vierten Satz sein Aufschlagspiel zum 2:3 und damit auch den ganzen Durchgang, weil er seine eigenen Breakchancen nicht nutzen konnte.
Im fünften Satz kam es noch schlimmer für Zverev, der in den vergangenen Wochen bärenstark serviert hatte: Nach zwei Aufschlagverlusten zum 1:4 schien das Match nicht mehr zu retten, doch der Olympiasieger stemmte sich mit aller Kraft gegen das drohende Aus, ging sogar 5:4 sowie 6:5 in Führung. Im entscheidenden Matchtiebreak wurde der frühere Heißsporn zum Mister Cool und sicherte sich den Sieg. „Ein unglaublicher Spieler“, lobte Zverev seinen Gegner, „gegen ihn bin ich früher schon gestrauchelt.“
Am Tag zuvor hatten sich die Pariser Mitfavoriten Jannik Sinner und Carlos Alcaraz nach mäßigem Turnierstart in ihren Drittrundenmatches gesteigert. Zverev, der in den vergangenen drei Roland-Garros-Auflagen jeweils das Halbfinale erreichte, hat wie die anderen Titelanwärter noch einige Luft nach oben in der zweiten Turnierwoche. „Ich weiß, dass ich auf Sand einer der besten Spieler bin“, sagte der Deutsche in Paris. Wenn er seine Selbsteinschätzung in den bestenfalls kommenden vier Matches bestätigt, könnte er endlich „eines von diesen Dingern“ gewinnen.
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