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Die Fußball-EM hat Berlin erreicht: Spanien dominiert auf dem Platz – Kroatien in der Stadt - Tagesspiegel

Vor der Partie gegen Spanien: Das rot-weiße Schachbrettmuster der kroatischen Trikots bestimmt das Stadtbild.

© IMAGO/NurPhoto/IMAGO/Foto Olimpik

Zehntausende Fans pilgern zum Olympiastadion: Berlin erlebt am Samstag sein erstes Spiel bei der Fußball-EM. Viele Anhänger sind von weit her angereist – auch wenn nicht alle ein Ticket haben.

Lauter Tore, ein perfekter Auftakt für das Team von Julian Nagelsmann – und großer Jubel bei Zehntausenden auf der Fanmeile am Brandenburger Tor: Mit dem 5:1 der deutschen Nationalmannschaft gegen Schottland ist auch Berlin am Freitagabend in die Fußball-EM gestartet. So richtig angekommen ist die Europameisterschaft in der Hauptstadt aber erst an diesem Samstag – mit dem ersten EM-Spiel im Olympiastadion.

Spanien gegen Kroatien: Das ist gleich eine hochkarätige Ansetzung, zwei Teams mit Technik und Leidenschaft. Die Energie ist tagsüber schon in der Innenstadt zu spüren. Nicht überall, dafür ist Berlin viel zu groß. Aber ganz besonders auf dem Breitscheidplatz, wo Fans beider Mannschaften zusammenkommen.

Rund 8000 Fans haben sich hier getroffen, die allermeisten kroatisch. So wie später auch das Olympiastadion zu großen Teilen rot und weiß eingefärbt ist – rund 50.000 Kroaten sind es dort. Wo ein Wille ist, ist auch ein Ticket. Bis zur Pause müssen sie allerdings drei spanische Tore mitansehen. Und so wird das Spiel auch später enden.

Bis in den Nachmittag haben sich die Fans auf dem Breitscheidplatz auf ihren EM-Auftakt eingestimmt. Es gibt ausgelassene Gesänge und eine riesige Flagge im rot-weißen Schachbrettmuster, Dutzende Meter lang, die die kroatischen Anhänger gemeinsam über ihren Köpfen tragen.

107 Meter lang soll diese Flagge auf dem Breitscheidplatz gewesen sein.

© imago/Pixsell/IMAGO/Sanjin Strukic/PIXSELL

Hier und da schießt der Eifer über: Fans zünden Pyrotechnik auf dem vollen Platz, Kommunikationsteams der Polizei wirken auf sie ein, es gibt mäßigende Lautsprecherdurchsagen. Vereinzelt fliegen Flaschen, wird es hitzig. Fans mit nationalistischen Botschaften sind zu sehen – wo doch diese Europameisterschaft ein internationales Fest sein soll. „United by Football“, wie dieser Tage überall auf den S-Bahnen der Stadt zu lesen ist.

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Zuerst heißt es, die Kroaten wollen zu Fuß zum Stadion ziehen, ein „Fan Walk“ tausender Anhänger – doch für viele sind S- und U-Bahn bequemer. Am Ende spazieren einige Hundert Fans gemeinsam zum Stadion. Schön für die Berliner: Der Straßenverkehr ist weit weniger beeinträchtigt als gedacht.

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Die erste Anlaufstelle der kroatischen Fans ist am Mittag der Potsdamer Platz – denn dort, im Hotel Ritz-Carlton, hat ihr Team übernachtet. Der Mannschaftsbus steht direkt vorm Eingang. Die Polizei hat den Zugang zum Hotel abgesperrt, doch das stört die Fans nicht: Zu Hunderten feiern sie ihre Idole, singen oder machen Fotos, eine entspannte Atmosphäre.

Als Edelfan hat er Tickets für alle Gruppenspiele

Mittendrin steht Mario Sanya. Er hat gleich zwei Karten für das Spiel gegen Spanien ergattert, er hat ja auch jeweils zwei Tickets für die Spiele der Kroaten in Leipzig gegen Italien und in Hamburg gegen Albanien. Wenn einer die kroatische Nationalmannschaft zu fast allen Länderspielen begleitet, ist das kein Problem: Ein Edelfan erhält bevorzugt Tickets. Mario Sanya wird mit seinem zwölfjährigen Sohn Rafael zu den Partien gehen.

Und natürlich trägt Mario Sanya aus Zagreb auch das weiß-rot gemusterte Trikot seines Teams. Seine Frau Isabella und seine Kinder selbstverständlich auch. Aber Tochter und Mutter können das Spiel nur in der Fanmeile am Brandenburger Tor anschauen, vier Karten hat nicht mal der Papa als Edelfan erhalten.

Berlin ist sehr sauber, hier ist alles in Ordnung, die Leute sind sehr höflich.

Isabella Sanya, Fußball-Fan aus Kroatien

Isabella Sanya stört das nicht im Geringsten, sie hat genauso gerne die Stadt angeschaut. Reichstag, Brandenburger Tor, eine Spreefahrt steht auch auf dem Programm, sie sind ja noch ein paar Tage hier. „Berlin“, sagt Isabella Sanya, „ist sehr sauber, hier ist alles in Ordnung, die Leute sind sehr höflich.“

Edelfans vor Mannschaftsbus: Mario und Isabella Sanya aus Zagreb mit ihren Kindern vorm Teamhotel Ritz-Carlton am Potsdamer Platz.

© Frank Bachner

Der Vater kennt Berlin, ihn interessiert jetzt mehr der Fußball. Und er hat eine „sehr einfache“ Antwort auf eine gar nicht so einfache Frage: Wer wird Europameister? „Natürlich Kroatien“, sagt er in einem Ton, als leierte er den Wetterbericht herunter. Kroatien im Finale? Natürlich wäre er auch dann dabei. Als Edelfan bekommt er über den kroatischen Fußballverband Karten für so ein Spiel.

Sein Name ist Luka – genauso wie Luka Modrić

Marlena Pamic-Cus, ihre Söhne Anton und Luka, sowie ihr Mann und ihre Schwester Martina aus Istrien haben keine Karten für das Spanien-Spiel, sie werden das Match in der Fanzone verfolgen. Aber erst mal verfolgen sie, wie Polizisten den kroatischen Bus umringen und andere Fans sich vor dem Hotel versammeln. Natürlich tragen sie das kroatische Nationaltrikot, auch Anton, obwohl er erst zwei Jahre alt ist und keinen Schimmer hat, weshalb seine Eltern so aufgeregt sind.

Keine Tickets, aber trotzdem voll im EM-Fieber: Familie Pamic-Cus ist aus Istrien angereist – um die Partie gegen Spanien auf der Fanmeile zu verfolgen.

© Frank Bachner

Luka verdankt seinen Namen (zu einem gewissen Teil jedenfalls, sagt die Mutter) Luka Modrić, dem kroatischen Superstar von Real Madrid. Modrić ist jetzt 38 Jahre alt, er hat mit Real gerade die Champions League gewonnen, die EM wird sein letztes großes Turnier sein.

Der kleine, schlaksige Modrić hat unter den übrigen kroatischen Stars einen Sonderstatus. Er hat nicht bloß eine beeindruckende Karriere hinter sich, „er ist auch“, sagt Martina Pamic, „eine Gesamtpersönlichkeit, er hat Ausstrahlung, Charme, er ist auch ein Familienmensch“.

Die Atmosphäre ist wichtiger als das Ergebnis, sagt der Vater

Valentino aus Zagreb hat den Namen Modrić breit auf seinem Sweatshirt stehen. Gemeinsam mit Vater Goran hofft er, „dass Modrić mit Kroatien den Titel holt“. Modrić sei einfach einer der besten Spieler in Europa, vor allem sei es sein letzter großer Auftritt. Er und sein Vater haben Tickets fürs Spanien-Spiel, sie können ihr Idol auf der Tribüne anfeuern.

Zuversichtlich: Die kroatischen Fans vor dem Olympiastadion setzten am Nachmittag auf einen Sieg ihrer Mannschaft gegen Spanien.

© dpa/Sebastian Gollnow

Auch diese beiden loben Berlin, sie loben die „sehr schöne Atmosphäre“, die „entspannten Leute und die Sauberkeit in der Stadt“. Und obwohl er glühender Kroatien-Fan ist, sagt Goran etwas in diesem Moment Ungewöhnliches: „Wichtiger als das Resultat ist die entspannte Atmosphäre hier.“

Bierpreise auf der Fanmeile? „In London zahle ich zehn Pfund“

Wer keine Karten fürs Olympiastadion hat, kann am Samstag das Spiel auf der Fanmeile am Brandenburger Tor anschauen. Am Abend sind dort viele Tausend Fans versammelt – so voll wie beim Spiel der Deutschen ist es allerdings nicht.

Luis sitzt nebenan in der Fanzone am Reichstag vor der Großleinwand, wo noch reichlich Platz ist, gleich in der ersten Reihe. Er trägt das blütenweiße Trikot von Real Madrid – zwar wurde er in London geboren, aber seine Eltern sind Spanier. Klar, für wen er jubelt.

In der 27. Minute sagt Luis: „Dem Spiel würde ein Tor guttun.“ In der 29. Minute springt er auf, dass der Schirm seiner Baseballkappe wackelt. Morata hat das 1:0 für Spanien erzielt, neben Luis jubeln auch noch zwei Dutzend weitere Spanien-Fans. Allzu viele sind allerdings nicht da.

Es gibt sie doch: spanische Fans auf der Fanmeile, an diesem Tag im Stadtbild aber eindeutig die Minderheit.

© imago/Beautiful Sports/IMAGO/BEAUTIFUL SPORTS/Hahne

Einer von ihnen ist Raul Rocca. Auf dem Kopf hat er eine Perücke in den spanischen Farben, den Oberkörper umhüllt natürlich das spanische Trikot. Er ist aus Valencia mit drei Freunden nach Berlin gekommen, zwei der Freunde hocken im Stadion, Raul Rocca aber hat sich verweigert. „Ich bezahle doch keine 150 Euro für ein Ticket“, sagt er. „Da trinke ich hier lieber ein Bier.“

Sarah, die Frau von Luis, umklammert auch einen Bierbecher, sie sitzt neben ihrem Mann. Über die Diskussion über hohe Bierpreise auf der Fanmeile – der halbe Liter Pils kostet sechs Euro – kann sie nur lachen. „Bei so einem Event zahlt man in London für den Becher Bier, den ich hier trinke, zehn Pfund Sterling“, sagt sie. Das sind fast zwölf Euro.

Luis freut sich kurz darauf über das 2:0, und beim 3:0 mit dem Halbzeitpfiff, da springt er triumphierend auf. Carvajal hat getroffen, und Luis verkündet euphorisch: „Den habe ich vergangene Woche im Restaurant getroffen. Meine Tochter lebt in Madrid, wir gingen zusammen Essen, und da war dann auch Carvajal mit seiner Frau.“

Fanmeile nach Alarm: Nichts unbeaufsichtigt stehenlassen

Die Berliner Polizei weist an diesem Tag mehrfach darauf hin, für den Besuch von Fanmeile am Brandenburger Tor und Fanzone am Reichstag „keine großen Taschen (nicht größer als DIN-A4 Format) mitzubringen oder Gepäckstücke unbeaufsichtigt stehenzulassen“.

Hintergrund ist ein Alarm vom späten Freitagnachmittag: Ein verdächtiger Rucksack führte zur Evakuierung des Eingangsbereichs zur Fanzone in der Nähe des Reichstags. Nach zwei Stunden gab die Polizei jedoch Entwarnung.

„Wir begrüßen alle Fans aus Spanien und Kroatien und wünschen viel Fußballfreude“, schreibt die Polizei am Samstagmittag bei X. Man sei „immer noch euphorisiert“ vom Spiel am Vorabend. Ob das nun fürs Socialmedia-Team der Polizei oder alle Einsatzkräfte gilt, bleibt offen.

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3000 Polizisten sind an diesem Samstag im Einsatz – beim Spiel, bei den Fans in der Stadt, in den Fanzonen. Unterstützt werden die Berliner von Kräften aus Sachsen, Sachsen-Anhalt, Mecklenburg-Vorpommern, weiteren Einheiten aus dem Bundesgebiet und sogar Beamten aus Spanien und Kroatien.

Es war so, wie ich es mir eigentlich erträumt habe, erhofft habe.

Iris Spranger (SPD), Senatorin für Inneres und Sport, über den EM-Auftakt

Innen- und Sportsenatorin Iris Spranger (SPD) zeigt sich erleichtert über den friedlichen Auftakt der Feierlichkeiten. „Die Leute sind entspannt gewesen, das ist toll und das hat auch die Beruhigung gebracht, auch bei mir“, sagt sie am Samstag auf der Fanmeile. „Es war so, wie ich es mir eigentlich erträumt habe, erhofft habe.“ Die Stimmung sei „sagenhaft toll“ gewesen.

Friedliches Fußball-Fest: ein spanischer und ein kroatischer am Samstagnachmittag vor dem Olympiastadion.

© dpa/Sebastian Gollnow

„Die absolute Sicherheit kann es nicht geben und gibt es auch nicht“, sagt Spranger zum Alarm vom Freitag. Berlin sei aber „supergut“ vorbereitet, das habe die schnelle Reaktion der Sicherheitskräfte nach dem Rucksackfund bewiesen. Besucher sollten sich nicht verunsichern lassen. Die strengen Einlasskontrollen, die für die Fanzonen gelten, seien für Veranstaltungen dieser Größenordnung normal.

Freitagabend: Polizei geht gegen kroatische Fans vor

Trotz der positiven Bilanz der Senatorin gab es zum Auftakt ein paar Zwischenfälle: Im Verlauf des Freitags nahmen Einsatzkräfte 36 Personen vorübergehend fest und leiteten 19 Strafermittlungsverfahren ein, unter anderem wegen des Verdachts der Beleidigung, des Diebstahls, der Körperverletzung, des Verstoßes gegen das Sprengstoffgesetz sowie der Volksverhetzung. Das teilte die Polizei am Samstag mit.

Nach Ende des Eröffnungsspiels versammelten sich demnach auch vor dem Holocaustmahnmal, im Bereich der Kreuzung Hannah-Arendt-Straße/Ebertstraße, 300 bis 400 kroatische Fans. Aus der Gruppe heraus seien vereinzelt Flaschen gegen eintreffende Polizeifahrzeuge geworfen und Pyrotechnik gezündet worden, schrieb die Polizei. Die Einsatzkräfte hätten unmittelbaren Zwang „durch Schieben und Drücken“ angewendet, um die Situation zu beruhigen. (mit dpa)

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